Tafelgold

Erbschaftssteuer

Erben, wo andere arbeiten

Verbrechen

Diebstahl & Steuerhinterziehung

Opfer/ Schaden

Erbschaft spaltet das Land: Die Hälfte erbt Schulden oder nichts, sehr wenige dagegen riesige Vermögen. Die Ausnahmen bei der Erbschafts- und Schenkungssteuer sind die größte aller Steuersubventionen in Deutschland. Von rund 400 Milliarden Euro, die jährlich an Nachkommen weitergereicht werden, landen nur etwa 10 Milliarden beim Staat – selbst die Tabaksteuer bringt mehr. Der Witz: Je mehr jemand erbt, desto weniger Steuern muss er/sie zahlen. Wer 300.000 Euro erbt, zahlt etwa 10 Prozent Steuern darauf, wer 100 Millionen Euro oder mehr erbt, zahlt darauf im Schnitt nur 0,2 Prozent
9 von 10 Erb*innen von Unternehmen zahlen durch allerlei Ausnahmen gar keine Steuern. Dass das verfassungswidrig ist, hat das Bundesverfassungsgericht wiederholt festgestellt. Dennoch besteht diese Ungerechtigkeit seit Jahren fort – und führt zu jährlichen Steuergeldverlusten von mindestens 10 Milliarden Euro. 
Die extreme Ungleichheit bei Vermögen wird durch nichts so sehr verfestigt und verschärft wie durch die Nicht-Besteuerung von Erbschaften. Schon jetzt haben die reichsten 1 Prozent ein Drittel des Gesamtvermögens, während die ärmere Hälfte der Bevölkerung fast nichts besitzt.

Tathergang

Durch umfangreiches Lobbying gelang es den Familienunternehmern, bei der Erbschaftssteuerreform 2008 betriebliches Erbe von der Erbschaftssteuer weitgehend auszunehmen. Für den Spiegel war das „der größte Lobbyerfolg in der Geschichte der Bundesrepublik“. 2015 gelang eine Wiederholung: Gegen eine geplante Reform machte der Verband mobil. Allein 9 offizielle Treffen mit der Bundesregierung sind dokumentiert; ein Drittel der Unternehmen des Verbands sprach mit Bundespolitiker*innen über die Steuer1. Schließlich entschärfte der damalige Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) die geplanten Regelungen – erneut konnten umfangreiche Ausnahmeregelungen für die reichsten Erb*innen durchgesetzt werden. Die Argumente, mit denen sich die Familienunternehmer gegen die Erbschaftssteuer stemmen, lassen an den Tatbestand der verleumderischen Erpressung denken. Motto: Müssen wir auf unser Milliarden-Erbe ein paar Steuern zahlen, können wir nicht weiter im Land produzieren und müssen die Arbeitsplätze ins Ausland verlagern.

Hauptverdächtiger

Matthias Lefarth war als Leiter der Steuerabteilung der Stiftung Familienunternehmen der Hauptlobbyist während der letzten Erbschaftssteuerreform 2015/16. Nachdem die Privilegien für reiche Unternehmenserben auch hier nicht abgeschafft wurden, sprach er selbst von einer „Sternstunde der Politikerberatung“. Der einstige FDPler Lefarth war 2013 kurz nach deren Gründung Landessprecher der Berliner AfD. Später engagierte er sich in der AfD-Parteistiftung von Erika Steinbach, der Desiderius-Erasmus-Stiftung. Inzwischen sitzt Lefarth im Steuerparadies Panama – und verkörpert so genau das, was für den Lobbyverband als „Mittelstand“ gilt.

Komplizen

Die Interessen der Mehrheit der Bevölkerung und der Superreichen gehen bei der Frage nach Vermögens- und Erbschaftssteuer diametral auseinander. Die Politik aber schlägt sich zuverlässig auf die Seite der Reichen. Bei der letzten Reform war es insbesondere die CSU mit ihrem Chef Horst Seehofer, die neue Ausnahmen für die Reichsten durchsetzte. Seehofer traf sich drei Tage vor seinem Veto gegen Schäubles Pläne mit dem Familienunternehmer-Lobbyisten Matthias Lefarth. Aber auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) lobte die Lobbyarbeit und riet der Stiftung, sich nur noch „ein bisschen mit den sozialdemokratischen Ministerpräsidenten“ zu befassen.

Urteil

Schuldig. Ohne die Familienunternehmer gäbe es längst eine gerechte Erbschaftssteuer, die reiche Erb*innen stärker belastet als arme. Das würde der immer absurderen Vermögensungleichheit entgegenwirken und dem Staat beträchtliche Mehreinnahmen verschaffen.

[1] (Fischer, D., 2012, S.188: Strategiefähigkeit und Kampagnenführung von Unternehmerverbänden: Interessenvertretung am Beispiel des Verbandes Die Familienunternehmer – ASU. Wiesbaden: Springer VS.)